Künstliche Intelligenz (KI) und Musik: 5 Anwendungsfälle und warum Künstler trotzdem nicht ersetzbar sind

KI und Technologie werden die Rolle des Musikers verändern – aber der kreative Kopf ist unersetzbar

Musik ist die Sprache der Seele und ein Ausdruck unserer Emotionen. Schon immer begeistert sie Menschen auf der ganzen Welt und schafft eine universelle Verbindung zwischen uns. Doch mit der fortschreitenden Technologie und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Musikindustrie stellt sich die Frage: Kann eine Maschine jemals das geniale und unvorhersehbare Songwriting eines Künstlers mit eigenem Willen ersetzen? In diesem Artikel werden wir uns damit auseinandersetzen, wie KI Musiker unterstützen kann und warum die Kreativität und die Spontaneität des freien Willens unersetzbar bleiben.

Je vorhersehbarer die Struktur der Musikspur, desto weniger Mensch braucht es

Vor allem bei einfachen und wiederkehrenden Aufgaben, wie dem Generieren von Drum-Beats, haben Künstliche Intelligenzen der Musikbranche einen bedeutenden Fortschritt gebracht. Diese Beats folgen klaren musikalischen Regeln und Mustern. Gerüste wie Takt und Tempo sind ein Anwendungsgebiet mit klarer Struktur; etwas ist ein 4/4-Takt bei 120 bpm oder eben nicht. Zahlreiche Musikproduktionstools nutzen bereits Machine-Learning-Algorithmen, um Percussion-Fundamente automatisch zu erstellen. Das spart vermeintlich Zeit und Mühe (wenn der Produzent die KI souverän bedienen kann) und beschleunigt den Produktionsprozess. Beispiele hierfür sind das Programm „AIVA“ (Artificial Intelligence Virtual Artist) oder „Melodrive“, die beide in der Lage sind, realistische und abwechslungsreiche Drum-Beats zu generieren.

Kreativität setzt jedoch einen (freien) Willen voraus und damit eine Persönlichkeit

Während KI bei einfachen Aufgaben wie dem Generieren von Drum-Beats effektiv ist, kann sie niemals das kreative Genie eines Musikers ersetzen. Nach der Philosophie Immanuel Kants ist die Fähigkeit zur freien, spontanen Willensentscheidung der Kern jeder echten künstlerischen Leistung. Ein Künstler, den Kant als „Genie“ bezeichnet, besitzt sowohl das technische Wissen und Können (Akkorde, Grifftechniken, Anschlag) als auch die Fähigkeit, losgelöst und ungehindert kreativ zu denken (kreatives Songwriting) und seine Ideen umzusetzen.

Musik ist letztlich mehr als die Aneinanderreihung der Töne. Musik ist auch die Kraft der Performance des Autors selbst. Die Musikerin als Persönlichkeit ist immer Teil des eigenen Songs.

KI kann zwar auf vorhandene Muster und Regeln zurückgreifen und diese reproduzieren. Aber sie ist nicht in der Lage, aus sich selbst heraus kreativ zu denken und neue, innovative Ideen zu erschaffen. Echte künstlerische Meisterleistungen kommen daher nicht aus Algorithmen, sondern aus den Köpfen und Herzen von Musikern, die den freien Willen dazu haben.

KI schafft Musik immer nur aus sehr engen, logischen Ursache-Wirkung-Ketten. Per definitionem generiert sie, was sie an bereits bestehenden Regeln und Strukturen gelernt hat. Kreativität ist aber das Unerwartete, Überraschende und die Schönheit der Wirkung ohne Erklärung.

Trotzdem kann es in der Musik Anwendungsgebiete abseits von Beats und Rhythmen geben

Überall dort, wo zwei Voraussetzungen gegeben sind, kann künstliche Intelligenz Musiker und Produzenten wahrscheinlich trotzdem unterstützen. Oder zumindest das Arrangieren beschleunigen:

  • Es gibt eine bestehende Grundlage, auf die künstliche Intelligenz aufsetzen kann, etwa eine Referenz oder einen unfertigen Song, der „nur“ vervollständigt werden muss.
  • Es gibt ein klares Regelwerk, das die Künstliche Intelligenz befolgen kann, und einen Produzenten, der die KI mit den richtigen Instruktionen bedienen kann.

1. Anwendungsfall von KI in der Musik: Mixing

Eine der bemerkenswertesten Errungenschaften der KI in der Musikproduktion ist die Fähigkeit, Songs zu mischen. Das Abmischen von Musik ist eine komplexe Aufgabe, die eine Menge Erfahrung und Know-how erfordert. Es geht darum, die verschiedenen Spuren von Instrumenten und Gesang aufeinander abzustimmen, sodass sie sich harmonisch ergänzen und die gewünschte Klangqualität erreichen. Mit der Entwicklung von KI-Technologie ist es möglich geworden, dass Computerprogramme diese Aufgabe automatisiert und präzise ausführen. Durch die Analyse von Musikstücken und das Erlernen von Algorithmen und Parametern können KI-Systeme nunmehr frisch eingespielte Spuren aus dem Tonstudio effektiv und schnell abmischen. Das spart nicht nur Zeit und Geld, sondern trägt auch zu einer höheren Qualität und Konsistenz bei der Produktion von Musik bei.

Die Kombination aus menschlicher Kreativität und KI-Technologie könnte die Musikproduktion auf ein völlig neues Niveau heben – ein Miteinander, das auch mit wenig Ressourcen zu sehr hoher Klangqualität führen kann.

2. Anwendungsfall von KI in der Musik: Mastering

Neben dem Abmischen von Musikstücken hat die KI auch die Fähigkeit, das Mastering von Songs zu übernehmen. Mastering ist ein wichtiger Schritt in der Musikproduktion, bei dem der Klang und das Volumen eines Musikstücks optimiert werden, um es auf eine optimale Wiedergabe auf verschiedenen Geräten vorzubereiten. Hierbei kann die KI eine hilfreiche Rolle spielen, insbesondere wenn bereits vorhandene Referenzen vorliegen. Durch die Analyse von bestehenden Aufnahmen und den Einsatz von Algorithmen können KI-Systeme dazu beitragen, dass Alben konsistent klingen und einheitliche Klangqualitäten aufweisen.

Darüber hinaus ermöglicht die KI die Optimierung des Klangvolumens, die Entfernung von unerwünschten Störgeräuschen und die Anpassung der Klangbalance an unterschiedliche Wiedergabesysteme. Diese KI-Technologie kann nicht nur dazu beitragen, dass Musikproduzenten effizienter arbeiten können, sondern auch zu einer höheren Klangqualität für Solokünstler und Einsteiger im Homerecording sowie zu einer besseren Hörerfahrung für das Publikum führen.

Obwohl die KI-Technologie in der Musikproduktion eine beeindruckende Präzision bietet, darf man nicht vergessen, dass Musik mehr als nur mathematische Berechnungen ist. Die menschliche Intuition ist so wichtig wie technische Perfektion, um die künstlerische Vision zu bewahren.

3. Anwendungsfall von KI in der Musik: Extrapolation

Stell dir vor, du hast eine Idee für ein Riff. Du schnappst dir deine Gitarre und spielst es quick and dirty ein. Vielleicht schon direkt aufs Metronom, wir haben doch Ansprüche, oder? Jedenfalls kann eine KI auf dein eingespieltes Riff andere Instrumente extrapolieren: eine Bassline druntersetzen, einen Drum-Beat drauflegen, ein paar Fills hier und da. Mit anderen Worten: die KI kann als Einspiel-Assistent dienen, der menschlichen Musikern helfen kann, neue Songideen schnell und einfach weiterzuentwickeln und in Demoaufnahmen zu gießen. Eine vollständige Beta-Version eines Musikstückes kann entstehen. Sitzen das Riff, die Bassspur und der Drum-Beat, spielst du vielleicht ein Solo drüber. Auch hier kann die KI dann weitere Spuren passend auffüllen.

Das darfst du nur nicht mit echtem Songwriting verwechseln. Die KI baut eine passende, durchschnittliche Bassspur zu deinem Gitarrensolo. Ein No-Brainer. Nicht mehr, nicht weniger.

Dies kann auch dazu beitragen, dass Musiker ihre kreativen Grenzen erweitern und neue Genres und Stile erforschen.

4. Anwendungsfall von KI in der Musik: Störgeräusche entfernen

Eine weitere nützliche Anwendung der KI-Technologie in der Musikproduktion ist die Entfernung von Störgeräuschen in bestehenden Musikspuren. Während der Aufnahme von Musikstücken können (trotz Noise Gate) Störgeräusche wie Hintergrundgeräusche, Brummen oder Knacken auftreten, die das Hörerlebnis beeinträchtigen. Die KI-Technologie kann dabei helfen, diese störenden Geräusche zu identifizieren und zu entfernen, um den Klang der Musik zu verbessern. Hierbei analysiert die KI-Technologie das Musikstück und identifiziert die Störgeräusche anhand von Algorithmen und Mustern. Anschließend kann die KI-Technologie diese Störgeräusche automatisch entfernen, ohne dabei den Klang der Musik selbst zu beeinträchtigen. Das trägt dazu bei, dass die Qualität und Klangreinheit von Musikstücken verbessert wird, was insbesondere für Live-Aufnahmen und Konzerte von großer Bedeutung ist.

Die KI ist schon heute sehr viel besser darin, Muster zu erkennen, als Menschen es sind. Unerwünschte Töne zu entfernen könnte der sicherste und einfachste Anwendungsfall für die KI in der Musik sein.

5. Anwendungsfall von KI in der Musik: KI-Equalizer und KI-Kompressor

Sehr gute Mischer bewirken wahre Wunder am Equalizer und am Kompressor. Sie investieren aber auch viele Stunden in Übung, Testing, gute Software und Hardware und tolle Studiomonitore. Eine KI mischt und komprimiert in Sekunden, tut dies aber auch nur nach einem Vorbild. Hat sie aber diese Referenz („Wende die Equalizer-Mischung dieses Tracks auf das gesamte Album an“), kann sie enorm Zeit sparen.

4 Gründe, die trotzdem langfristig für den menschlichen Musiker sprechen

Die Künstliche Intelligenz kann also schon einiges. Und das ist besonders erfreulich dort, wo sie uns Arbeit abnimmt. Aber Moment – ist das, was wir als Musiker machen, eigentlich Arbeit im herkömmlichen Sinne?

1. Musik zu machen ist etwas anderes als Steine zu klopfen – wir tun es nicht aus Zwang

Musik macht Spaß. Es ist ein schönes Gefühl, die Spuren einzuspielen, bis der perfekte Flow entstanden ist. Es ist befreiend, einen Song nach und nach fertigzustellen, zu testen, zu tüfteln, zu werkeln, bis ein Gesamtkunstwerk entstanden ist. Das gilt sowohl für die Instrumentalisten als auch für das Abmischen der Musik und das Mastering.

Arbeit zu automatisieren ist gut – aber Musik ist Leidenschaft, Handwerk und persönliche Entfaltung. Das an eine KI abzugeben, wirkt absurd.

2. Musik an eine KI abzugeben, ist ein Kontrollverlust

Es ist ein bisschen wie der Unterschied zwischen einer guten Essensbestellung und dem Selbstkochen: Zwar kann die KI das sehr gut liefern, von dem du denkst, dass du es haben willst. Aber was am Ende aus der Künstlichen Intelligenz herauskommt, ist immer ein bisschen offen. Du willst den Basslauf doch ein wenig saftiger? Noch mal die KI „nach-instruieren“. Ein Fill in der Bridge ist dir zu funky? Oder zu wenig progressiv? Weg damit und noch mal aufs Knöpfchen drücken. Oder resignierst du und lässt der KI ihren Willen?

Eine KI macht zwar ungefähr, was wir ihr sagen. Aber oft auch nur so ungefähr. Die Gefahr ist, dass wir aus Bequemlichkeit auf das niedrige Niveau der KI sinken.

3. Kreativität durch „Happy Accidents“ wird durch KI unwahrscheinlicher

In der Zusammenarbeit von Musikern passieren unerwartete Dinge, kreative Unfälle, Improvisationen und spontane Ideen dadurch, dass man sich gegenseitig inspiriert. Das stärkt eure Band und gibt euch Selbstvertrauen. Wo ein anderer Musiker ein Sparringspartner ist, ist die KI höchstens ein besserer Boxsack.

Eine KI fordert uns nicht so sehr heraus wie charakterstarke Bandkollegen oder fordernde Mischer.

4. Musik ist im Kern die Interaktion verschiedener Menschen

Musik ist Kommunikation. Zum einen ist es ein Hin und Her der Musiker untereinander. Jeder, der schon mal im Proberaum und auf der Bühne mit Augenkontakt untereinander Musik gemacht – oder gar improvisiert – hat, wird das bestätigen. Mit der KI in der Musik wird das Musizieren möglicherweise zu einer Solobeschäftigung, isoliert im stillen Homestudio. Das mögen einige Künstler gut finden, oft raubt es aber das magische, emotionale Miteinander von Bands.

Eine weitere Perspektive ist die Musik als Kommunikationsform zwischen Musiker und Publikum. Macht nun die KI einen mehr oder weniger erheblichen Teil eines Songs, wer spricht dann zum Publikum? Ein Algorithmus? Der Computer? Ein Code? Wie authentisch und glaubhaft kommen sie bei den Hörern an? Und werdet ihr dann noch als ernsthafte Musiker wahrgenommen?

Wenn wir sagen, dass Musik immer Kommunikation ist, so meinen wir: Sie funktioniert zwischen Menschen auf ganz anderen Ebenen.

 

Fazit: Wir brauchen weiterhin kreative Genies, die einzigartige Musik machen. Aber gerade für den Solokünstler bietet die KI interessante Möglichkeiten.

Headergraphik: Adobe Stock | Sarah

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