Im Studio mit The Bland

Axel Öberg über geliebte Fehler, Band-Demokratie und Songs, die sich selbst schreiben


Es sind immer wieder diese Skandinavier, die Gitarrenmusik vor allem atmosphärisch auf ein neues Level heben. Irgendwo zwischen psychedelischem Rock und Indiepop machen The Bland etwas, von dem wir ausnahmsweise sagen können: Das ist ein eigenes Genre. Und weil The Bland zur IMG-STAGELINE-Familie gehören, haben wir die Produktion des aktuellen Albums Beautiful Distance unterstützt. Wie das Album entstanden ist, erzählt uns Sänger Axel Öberg.

 
Axel Öberg ist Sänger der schwedischen Band The Bland

Mit ihrer Mischung aus Indie & Folk begeistern die Fünf auch über ihre Landesgrenzen hinaus eine stetig wachsende Fangemeinde - insbesondere in Deutschland.

Axel, ihr habt endlich euer neues Album „Beautiful Distance“ im Kasten. Kannst du überhaupt beschreiben was das für euch bedeutet?

Das Album symbolisiert eine große Reise hin zu einem neuen Sound, zu neuen Freunden, Veranstaltungsorten und sogar neuen Ländern. In diesem Album schlummert unsere Vergangenheit und was wir über unsere ganz persönlichen Erfahrungen aus den letzten Jahren zu erzählen haben, sei es menschlich oder musikalisch.

Wie lang habt ihr insgesamt an „Beautiful Distance“ gearbeitet?

Wir haben ungefähr ein Jahr gebraucht, mit ein paar Pausen zum Touren zwischendurch. Während der Hitzewelle im Sommer 2018 haben wir angefangen, das war im Studio eine echte Herausforderung. Unser Studio ist eine kleine Hütte auf einem Hügel hier im Süden Stockholms. Das ist zwar schön, aber es war nicht einfach, in dieser Hitze aufzunehmen. Wir waren die meiste Zeit fast nackt und dehydriert, ich glaube, das hat zum warmen Sound des Albums beigetragen!

Ein Jahr für ein Album ist ziemlich lang – was hat an dem Album so lange gedauert?

Manchmal muss ein Song reifen, um sich zu entwickeln. Manchmal müssen wir Songs immer wieder neu aufnehmen, um die richtige emotionale Stimmung zu finden. Andere Songs musst du sehr intensiv innerhalb einiger Stunden einspielen. So nimmst du genau die richtige Energie von der ganzen Band zum richtigen Moment mit auf den Track.

Wir waren noch nie so wagemutig, was verschiedene Aufnahmetechniken angeht. Dadurch hat sich der Sound selbst kreiert. Das ist eine neue Art und Weise, Songs aufzunehmen, und wir bleiben dabei. Aber das dauert eben auch.

— Axel über den nötigen Mut beim Aufnehmen einer neuen Platte

Was war am anstrengendsten an der ganzen Produktion?

Das Ende war am anstrengendsten. Mit so vielen Songs auf dem Album vergisst du hier und da immer Details oder schiebst sie vor dir her. Und plötzlich hast du nur noch Tage oder Stunden vor deiner Deadline. Einer unserer Producer, Hannes, war auch fürs Mixen zuständig. Der hatte am Ende der Deadline einen ziemlichen Endspurt, weil irgendwas immer noch zu fixen ist.

Kanntet ihr den Producer oder den Tontechniker vorher?

Ja! Die Brüder Linus und Hannes haben das übernommen und sind auch Teil der Band – wir kennen sie also sehr gut. Linus Hasselberg ist unser E-Gitarrist und Hannes Hasselberg unser Drummer. Linus war leitender Producer. Hannes hat auch Tontechnik und Mix übernommen. Wir haben bisher alles immer selbst gemacht, jeder Einzelne von uns hat an den eigenen Tonspuren rumgeschraubt. Dieses Mal haben wir feste Rollen an Linus und Hannes vergeben. Das bedeutet auch, dass die meisten Ideen zu Aufnahmetechniken und dem Sound selbst von den beiden kamen. Anton Torstensson und ich konnten uns so komplett aufs Songwriting konzentrieren.
 

Manchmal ist es aber auch nicht gut, wenn du den Producer zu gut kennst. Ein Recording-Prozess kann sehr emotional sein.


Du hast Punkte während der Aufnahmen, an denen du einen von vielen Pfaden wählen musst, sei es instrumental oder wenn es um Effekte oder Intros geht. Der Tontechniker stellt dich also vor eine Wahl – das ist nicht unbedingt immer ein schöner Moment. Bei uns hat's aber funktioniert.

Wer entscheidet denn bei Uneinigkeit, wie ein Song auf dem Album klingen soll?

Wir versuchen immer denjenigen die Entscheidungen treffen zu lassen, der am meisten für den Song empfindet. Wenn jemand mehr für einen Song fühlt als die anderen, trifft derjenige auch die wichtigsten Entscheidungen, was diesen Song angeht.

Habt ihr Tipps für Musiker, die zum ersten Mal ins Studio gehen?

Das kommt darauf an, wie viel Zeit ihr habt und was ihr aufnehmen wollt. Wenn es ein teures Studio ist und deswegen nur begrenzte Zeit zur Verfügung steht, dann solltet ihr vorher sehr detailliert wissen, was ihr wie aufnehmen wollt. Wir finden eigene Technik und somit viel Zeit aber sinnvoller.

 

Wenn ihr Home Recording macht, fließt der Aufnahmeprozess ins Songwriting mit ein. Ihr probiert dann automatisch mehr mit den Songs herum, bekommt noch mal die eine oder andere coole Idee, habt mehr Muße. Euer Gestaltungsfreiraum wächst mit dem zeitlichen Freiraum.

 

In diesem Fall ist es besser, die Songs vorher nicht komplett zu Ende zu schreiben, sondern Platz für Veränderungen zu lassen. Bei uns sind auf diesem Wege viele magische Songs entstanden.

Kannst du ein Beispiel für einen Song nennen, der sich während des Recordings noch stark verändert hat?

Als wir den Song „Beautiful Distance” aufgenommen haben, waren wir ein wenig müde und etwas betrunken. Wir wollten Bässe mit dem Akkordeon erzeugen und parallel dazu eine Melodie-Line machen. Nach der ersten Aufnahme merkten wir, dass der Melodie-Ton etwas zu hoch für meine Stimme war. Durch Müdigkeit und Alkohol setzten wir die Tonhöhe aber höher statt runter. Am Tag danach haben wir uns das Ganze angehört und erst mal gelacht. Aber dann haben wir digital, also künstlich, die Tonhöhe gesenkt. Und es klang einfach irgendwie magisch, wie etwas, das wir noch nie gehört hatten. Dieser „Fehler“ vom Vortag machte den Song zu einem unserer Favoriten auf dem Album. Also:

 

Erfreut euch an euren Fehlern – sie können auch neue Wege aufzeigen!

Aber gibt es nicht irgendwann einen Punkt, wo es in ein professionelles Studio gehen muss?

Meiner Meinung nach ist Home Recording immer gut und das Ergebnis kann genau so toll klingen wie Songs aus einem guten Studio. Die einzige Situation, in der ihr wirklich ein Studio braucht, ist bei der Aufnahme vieler verschiedener Instrumente gleichzeitig. Also live im Raum. Drums, Bass und Gitarre gleichzeitig aufnehmen, mit einem echten Live-Recording-Feeling – das ist im Wohnzimmer schwer. Allerdings verlieren sich viele Musiker völlig in der Frage nach dem Equipment. Unterschätzt nie die Qualität einer Aufnahme mit soliden dynamischen Mikrofonen.

 

Wenn dein Song auf günstigem Equipment nicht gut klingt, liegt es selten am Equipment. Es liegt an etwas anderem.

 

Das gilt auch für Isolation und Akustikschaum. Ja, das kann einen Unterschied machen. Aber oft funktionieren ganz normale Räume richtig gut. Wir haben in unserem Studio wenig professionellen Akustik-Schnickschnack.

Habt ihr andere Tipps für junge Musiker, die ihre Songs zu Hause aufnehmen wollen?

Ich tauche immer in das Raumgefühl, die Atmosphäre der Räumlichkeiten ein, wenn wir aufnehmen. Die muss stimmen. Wenn du merkst, du hast momentan keinen Spaß mehr, solltest du für diesen Tag zu einem anderen Song oder Projekt wechseln. Sonst entsteht ein toxisches Verhältnis zum Recording. Wenn ihr euch an einem Song aufhängt, lasst es ein paar Tage sein. Schmeißt die Aufnahmen des Songs vielleicht sogar weg, beginnt bei null. Ihr findet später einen anderen Zugang zum Song.

 

Die Produktion geht nicht schneller, wird eher schlechter, wenn ihr euch an einem Song festbeißt. Manchmal merkt ihr auch erst beim Aufnehmen, dass ein Song nicht passt. Dann weg damit!

Passiert euch das oft? Wie viele Songs habt ihr denn für das Album geschrieben?

Wir haben insgesamt ungefähr 40 Songs geschrieben – am Ende hat es nur ein Viertel davon aufs Album geschafft.

 

Als Band muss man lernen zu akzeptieren, dass Songs auch mal wegfallen. Nicht jeder Song klingt gut genug. Nicht jeder Song passt zu den anderen.

Wie habt ihr entschieden, welche Songs auf das Album kommen und welche nicht?

Das war eine demokratische Entscheidung. Wir waren meist zu viert im Studio. Meistens konnten wir Songs nehmen, die alle vier toll fanden. Manchmal Songs, die nur drei von uns mochten. Wenn nur zwei von vier den Song cool fanden, haben wir ihn sofort weggelassen.

Welchen Tonträger habt ihr benutzt?

Wir nutzen CD und Vinyl. Vinyl ist unser Liebling. Wir lieben den Sound von Vinyl und man hat damit auch immer ein tolles Artwork, um es an die Wand zu hängen. Wir haben auch einige Songs auf Kassetten aufgenommen, aber wir verkaufen keine Tape-Versionen. Streaming machen wir, um so vielen Menschen wie möglich die Gelegenheit zu geben, uns zu hören.

Wo du gerade das Artwork ansprichst: Was steckt bei „Beautiful Distance“ dahinter?

Dieses Mal habe ich das Artwork selbst konzipiert und bearbeitet. Es besteht im „Rohmaterial“ aus drei Fotografien, die unser genialer Freund Olof Grind gemacht hat. Die Fotos repräsentieren uns während Übungen, die uns helfen, unsere innere Kreativität zu finden.

 

Olof Grind ist ein Meister der analogen Fotografie. Wir lieben diesen analogen Look, weil er genau so ist, wie auch unserer Album klingen soll. Analog.

Was ist für euch wichtig in einer Kooperation mit Endorsern?

Jede Kooperation lebt davon, dass man miteinander spricht. Und fühlt, was der andere fühlt. IMG baut zum Beispiel tolle Mikrofone. Was ist also besser, als jemanden diese Mikros benutzen zu lassen, der damit jeden Tag in jeder möglichen Weise arbeitet? Wir haben absolut keine Ahnung davon, Mikros zu bauen. Aber wir experimentieren so viel mit Aufnahmetechniken – vielleicht könnten wir gemeinsam mal etwas vollkommen Neues bauen?

Das wäre cool! Wir hoffen, noch viel von euch zu hören. Danke Axel!

Fotos ©The Bland & Olof Grind