„Klar könnt ihr auftreten, bringt ihr einen Gurkensalat mit?“ – Wie die Live-Szene sich verändert

Sind kollektiv organisierte Konzerte ein Patentrezept, um Live-Locations zu erhalten?


Aus unserer Artist-Familie hören wir in letzter Zeit immer wieder skurrile Wünsche von Veranstaltern, Bookern oder Club-Besitzern. Mal einen Gurkensalat zum Catering beitragen, eine Licht- oder Nebelmaschine für den Club ausleihen. Den Gig mal selbst promoten. Wir glauben: Das ist ein Symptom des Clubsterbens.

Denn die aktuell komplizierte Situation für viele Live-Clubs erschwert den Club-Eigentümern und Veranstaltern die Arbeit. Viele Clubs haben Probleme, dauerhaft wirtschaftlich zu arbeiten. Das wiederum führt dazu, dass sich der Live-Underground verändert. Aber wie können Musiker damit umgehen?

Geht der Trend zur „gemeinsamen Orga“?

„Ich habe die Bühne, wer hat den Rest?“ – so provokant sagt es vielleicht kein Veranstalter. Aber die Zeiten haben sich verändert: Nur noch wenige Veranstalter suchen wie früher nach einer Band, buchen die Musiker für den Abend und zahlen eine Festgage.

Wenn wir davon hören, dass Bands nach einem Gurkensalat – also einem Teil des Caterings – gefragt werden, fragen wir uns: Sind kollektiv organisierte Konzerte vielleicht die Rettung für den Live-Underground? Ein Gurkensalat rettet natürlich keinen Club. Aber vielleicht sind wir Zeuge einer Weiterentwicklung der Live-Szene.

Besonders geeignet als musikalische Mit-Organisatoren: Die lokalen Vorbands

Teile des PA-Systems kommen sowieso oft von einer lokalen Band, die Backline auch. Denn fast jede Band hat eine PA-Anlage im Proberaum (und eine Backline sowieso). Im Blog einer bekannten Booking-Community fordert ein Autor, dass Musiker selbst Facebook-Ads für ihre Club-Konzerte schalten sollten – und damit wichtige Werbeaufgaben des Clubs übernehmen. Die Frage für beide Seiten ist nur: Wie weit soll diese geteilte Orga gehen? Und was brauchen wir, um diese Situation fair zu gestalten?

Es muss nicht schlecht sein, wenn Club-Besitzer die auftretenden Bands in die Organisation der Veranstaltung mit einbeziehen. Es muss aber fair für alle Seiten ablaufen.

 
„Fragt vor Auftritten am besten, wie das Catering ungefähr aussieht“, Maurice von Rednight

Einmal bestand unser Catering aus einem warmen Tetrapack Milch und einer 450-g-Packung Müsli für 6 Personen. Das ist ein bisschen nach dem Motto: „Ihr könnt hinterher nicht sagen, es gab nichts!“ Aber der Auftritt war herrlich. Seid nicht verlegen darum, einige Tage vor einem Gig das Catering einmal schriftlich nachzufragen.

Der Techrider 2.0 – Transparenz für beide Seiten durch einen gemeinsamen Orga-Rider?

Der Techrider ist bereits im Underground angekommen. Er enthält alles, was die Band braucht und was der Veranstalter zu stellen hat. Heute teilen sich allerdings oft drei oder mehr Bands eine Bühne an einem Abend. Und nicht nur die Bühne, sondern auch das Equipment. Es braucht also einen Techrider 2.0, der neue, zusätzliche Anforderungen spezifiziert und den am besten alle Beteiligten kennen und bearbeiten. Einen Orga-Rider in einem für alle zugänglichen Dokument.

Die Digitalisierung macht neue Formen der gemeinsamen Konzertorganisation möglich und einfach.

Zwei neue wichtige Dimensionen des modernen Techriders sind Verantwortung und Mitbenutzungsrechte:

  • Backline: Wer bringt was genau mit?
  • Verstärker: Wer darf welche Amps mitbenutzen und unter welchen Bedingungen?
  • Drumset: Ist eines vorhanden? Wer darf welche Komponenten benutzen?
  • Promo: Wer übernimmt die Promo für den Gig – was sind die Erwartungen aller Beteiligten? Könnten sich Veranstalter und Band(s) ein gemeinsames Werbebudget vorstellen?
  • Catering: Gibt es ein Buyout – also Geld dafür, dass eine Band das Catering nicht in Anspruch nehmen möchte?

Der Techrider einer Band kann heute auch festhalten, unter welchen Bedingungen die Band für den Club Equipment bereitstellen kann. Dann ist es vielleicht gar kein Techrider mehr, sondern ein Bandrider.

Der Club hat keine eigene PA? Dann könnte es ein paar Prozent mehr beim Doordeal geben, wenn die Vorband die PA stellt.

Dass die Zuständigkeiten aller Beteiligten bei Konzerten heute oft unklar sind, zeigt auch eine Anekdote von Sloppy Joes, eine der Bands aus unserer IMG STAGELINE-Family. Die Jungs wurden, wie selbstverständlich, nach der Grundausstattung für ein Live-Konzert gefragt:

 
„Ein Veranstalter fragte uns mal am Tag des Gigs (!) ob wir die PA-Anlage stellen können“, Jesse Garon von Sloppy Joes:

Und es wurde danach noch besser: Der vorher versprochene Tontechniker hatte „keine Zeit“. Am Ende standen wir vor einer komplett leeren Bühne und mussten den halben Club ausrüsten. Als wir dann am Tresen nach einem Kaffee gefragt haben, war die Ansage: „Nee, ich muss erst sehen, wie der Abend läuft.“ – Es ging um einen Kaffee! Das Resultat: Inzwischen wollen wir vor einem Gig genau wissen, wie die Bühne aussieht und ausgestattet ist. Wir fragen Veranstalter oder Clubbesitzer zum Beispiel:

  1. Welches Equipment ist da, welches muss gestellt werden?
  2. Wie hoch ist die Decke bei der Bühne?
  3. Wie sind Stromanschlüsse an und um die Bühne verteilt?

Wir haben da einfach zu seltsame Erfahrungen gemacht. Ganze Bühnenaufbauten, die an einer einzigen 220-Volt-Leitung hingen. Oder absurd tiefe Decken, weil der Raum vorher mal ein Kellerraum war. Die Reflektion an der Decke macht jeden sinnvollen Soundcheck zunichte. Ihr denkt jetzt: „Aber da spielen doch öfter Bands, es müsste doch ...“ Nein. Lasst euch vorher schriftlich die Details zur Bühne geben. Und wenn die Bühne sehr klein ist und die Decke niedrig, nehmt unbedingt Mikrofone mit, die wenig rückkoppeln oder sehr kleine Monitore.

Fazit: Bands dürfen auch Gurkensalat mitbringen – aber nicht als selbstverständliche Zugabe zur Musik

Bands sollten sich selbstbewusst daran erinnern, dass sie die Hauptattraktion bei einem Konzert sind. Aber Verständnis für die wirtschaftlichen Probleme der Live-Clubs ist auch gut. Es gibt Clubs, die sich kein eigenes Marketing leisten können oder gezwungen sind, am Catering zu sparen. Wenn Bands sich proaktiv an der Organisation eines Konzertabends beteiligen (müssen), ist es Zeit, dass wir Konzerte als Kollektiv-Projekte denken. Bands sollten dann mit mehr Mitspracherecht beteiligt werden. Vielleicht hilft es schon, dieses Thema mit allen Playern eines Konzerts offener zu diskutieren und gemeinsam neue Konzepte für eine reibungslose Organisation und einen tollen Konzertabend zu entwickeln – etwa auf Veranstaltungen wie der upStage-Konferenz.

Fotos ©The Hirsch Effekt