Gain Staging erklärt: So wird dein Mix runder und sauberer

Wir erklären, wie Volume, Verstärker und Gain Stages zusammenhängen und wie du Mixing-Fehler im Home Studio vermeidest.

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In der digitalisierten Welt können junge Bands immer einfacher selbst Musik aufnehmen. Aber die diversen digitalen Effekte und Werkzeuge im Mixing von Bass, Gitarre und anderen Musiksignalen erhöhen auch die Komplexität. So entstehen viele Fallstricke, über die DIY-Producer stolpern können. Gain Stages sind so ein Fallstrick. Denn ohne systematisches Gain Staging klingt euer Mix häufig unprofessionell und „irgendwie nicht fertig“.
Gain Staging ist zwar ein wenig tricky, kann aber enorme Unterschiede im Home-Recording machen. Also: Kaffee durchlaufen lassen und Kopf freimachen, jetzt kommt ein Crashkurs im Umgang mit Gain.
Und am Ende des Artikels haben wir vier Tipps für besseres Gain Staging für dich.

Worauf brauchst du eine Antwort?


Was ist Gain?

„Ist Gain das gleiche wie Volume, also Lautstärke?“ Diese Unklarheit ist ein Problem bei Diskussionen um Gain Staging und Mixing allgemein.

Der Gain Level beschreibt die Stärke/den Pegel  eines Audiosignals. Lautstärke beschreibt den hörbaren Output - also den Schalldruckpegel.

 

Beispiel: Das Audiosignal verlässt das Mikrofon mit einem bestimmten Gain Level und wird mit diesem Pegel  einem externen Vorverstärker zugeführt. Der Vorverstärker verstärkt das Signal und gibt es mit mehr Gain/Pegel raus. Schließlich wird es an das nächste Gerät, zum Beispiel an eine Aktivbox ohne Mikrofoneingang, weitergeleitet. Mischpulte besitzen übrigens meistens separate Mikrofoneingänge mit integriertem Vorverstärker.

Volume ist Lautstärke, Gain ist „nur“ die Verstärkung des Tonsignals

Behaltet im Hinterkopf, dass „gain“ das englische Wort für „dazugewinnen“ oder „zunehmen“ ist und meistens eine Verstärkung meint (es gibt auch negatives Gain, aber das nur am Rande).

Volume ist die Lautstärke des Signals, die am Ende zum Beispiel aus einem angeschlossenen Lautsprecher „kommt“.

Zu Volume/Lautstärke sagen viele englischsprachige Tontechniker auch „Sound Pressure Level“ (SPL). Gain hingegen verstärkt das Signal, oder genauer: Mit der Gaineinstellung wird der Signalpegel optimal für die folgende Stufe bzw. das folgende Gerät angepasst. Viele Gitarrenverstärker haben ein Volume- und ein Gain-Poti (manchmal auch „Drive“ genannt). Dreht ihr das Volume-Poti auf, wird der Ton lauter, der Klangcharakter ändert sich dabei aber nicht. Dreht ihr das Gain-Poti auf, wird der Ton auch lauter, aber irgendwann fängt das Signal eventuell an zu übersteuern, also zu verzerren. Letzteres kann zum Beispiel bei Gitarrenamps durchaus ein erwünschter Effekt sein, Stichwort: Distortion oder Overdrive.

Das bedeutet: Auch mit niedriger oder ganz ohne Gainbeeinflussung könnt ihr eine hohe Lautstärke erzeugen – nur mit dem Volume-Regler. Denn dann dreht ihr das vorhandene Signal einfach laut(er) auf. Wenn der Gain-Regler hingegen weit aufgedreht ist, ist der Ton zwar auch mit einer niedrigen Volume-Einstellung relativ laut, weil insgesamt ein höherer Pegel „auf die Reise geschickt“ wird, gleichzeitig kann sich dadurch aber auch die Klangcharakteristik verändern.


Was ist eine Gain Stage?

Ihr könntet am Gitarrenverstärker den Gain-Regler gerade so aufdrehen, dass die Box nicht übersteuert. Dann habt ihr ein sauberes, volles Signal. Die Lautstärke könnt ihr mit dem Volume-Poti nachregeln.

Die Balance zwischen Gain und Volume ist bei einem einzigen Gerät einfach. Die „Gain-Grenze“ zur Übersteuerung könnt ihr einfach durch Ausprobieren ausloten.

Das funktioniert aber nur unkritisch, wenn es keine nachfolgenden Geräte im Setup gibt, für die der Signalpegel speziell angepasst werden muss. Oder genauer: Bei komplexeren Signalwegen wird wird die Sache schnell aufwendiger.

Da schon die meisten Proberaum-Setups aus Verstärker, Mikrofon, Effektgerät, Mischpult, Plug-in und Computer bestehen – von Recording-Setups ganz zu schweigen – müssen wir den Pegel in den verschiedenen Stufen für verschiedene Geräte anpassen. Diese Stufen (engl. stages), mit unterschiedlich verstärkten Signalen, nennt man Gain Stages. Jedes Gerät und jede Software, d. h. jede Stelle im Signalweg, an der ihr den Signalpegel verändern könnt, ist eine Gain Stage (Verstärkungsstufe). Jedes eurer Audiosignale durchläuft fast immer mehrere Gain Stages: Das Signal der Gitarre könnt ihr mindestens am Verstärker selbst, am Effektgerät, am Interface und vielleicht noch durch Plug-ins in der DAW-Software verändern. Das sind allein vier mögliche Gain Stages für ein Instrument, noch bevor alle Spuren in der Masterspur – dem späteren Track – zusammengemischt werden.

Gain, Gain, wir brauchen (weniger) Gain

Was ist Gain Staging und wofür brauchen wir es?

Gain Staging beschreibt einen Vorgang, der das Verwalten, Ausbalancieren und Aussteuern der verschiedenen Gain Stages in einem Signalweg beinhaltet. Geschieht das nicht, können Signale übersteuern, verzerren, Störgeräusche produzieren oder, besonders bei analogen Komponenten, auch verrauscht sein. Das passiert, weil Tonspuren bzw. Audiogeräte nicht unbegrenzt viel Lautstärke/Pegel (und damit auch Gain) vertragen. Nicht ohne Grund werden Tonspuren in DAW-Software als Welle (auch: Waveform) visualisiert: Diese Welle spiegelt neben der Amplitude auch die Charakteristik des Signals wider (eine Flöte klingt anders und sieht auch in der Wave-Darstellung anders aus als eine Gitarre). Der User  kann also sofort sehen, wie laut oder leise die Spur an einer bestimmten Stelle ist. Verfügt eine Spur über zu viel Gain, das heißt der Signalpegel ist zu hoch, stößt sie buchstäblich an ihre Grenzen. Das Signal wird dann an den oberen und unteren Spitzen  abgeschnitten und klingt verzerrt. Dieses so genannte Clipping ist grundsätzlich zu vermeiden - es versaut jeden Mix!

Also, wenn es sich nicht gerade um gewollte Rechtecksounds eines Synthesizers o. ä. handelt, solltet ihr alarmiert sein, wann immer ihr „eckige Wellenformen" auf euren Tonspuren seht.

Ein zu lautes Signal könnte zu unerwünschtem Clipping führen und schreit jetzt buchstäblich nach einer Pegelkorrektur.

Wieso landet überhaupt so viel Gain auf der Spur?

Viele Producer hören zu lange die einzelnen, isolierten Tonspuren ihres Recording-Projektes ab. Sie vergessen dabei vielleicht regelmäßig den gesamten Mix abzuhören und „stapeln“ so unbewusst Gain. Im Vorverstärker wird ein wenig Gain hinzugefügt, im Effektgerät und in der DAW-Software auch. So nehmen im Gesamtmix eventuell nach und nach auch die Störgeräusche zu. Irgendwann ist der Aufnahmeprozess so weit fortgeschritten, dass das „angedickte“, sehr „gainige“ Signal nur noch schwer rückbaubar ist, weil dem Signalpegel im Vorfeld zu wenig Beachtung geschenkt wurde.

Die meisten Home-Studios arbeiten mit zu viel Gain auf den einzelnen Spuren – das heißt sie nehmen einfach von vorneherein zu laut auf. Alleine dieses Bewusstsein hilft oft schon weiter.

Was ist „Unity Gain“?

Ein Gerät ist dann auf Unity Gain eingestellt, wenn der ankommende Signalpegel dem des abgehenden Signals entspricht (meistens 0-dB-Einstellung, das heißt Verstärkung = 1). Das Audiosignal wird in seinem Pegel quasi nicht beeinflusst. Noch deutlicher: Wenn alle Geräte der Signalkette auf Unity Gain eingestellt sind, solltet ihr jedes einzelne von ihnen herausnehmen können, ohne dass sich die Signalstärke am Ausgang des letzten Gerätes verändert.


Wie geht gutes Gain Staging?

1. Nehmt insgesamt nur so laut auf wie nötig – das verschafft euch mehr Platz nach oben, bis es zum Clipping kommt

Wenn ihr Instrumente aufnehmt, schaut auf eure Pegelanzeige: Versucht durchschnittlich auf -18 dBFS zu pegeln, in Spitzen bis maximal -10 dBFS. Wenn ihr zu laut aufnehmt, klingt die Aufnahme letztlich schwächer, weil weniger Gain-Spielraum da ist. Nutzt dafür ein VU-Meter. Je dynamischer ein Instrument gespielt wird, desto sorgfältiger muss es eingepegelt werden und desto aufmerksamer solltet ihr sein. Beispiel Drumset: Vom leisen „streicheln“ des Ridebeckens, bis zum kraftvollen Draufdreschen aufs Crashbecken ist alles möglich und es treten drastisch andere Pegel auf.

2. Bedenkt, dass der Song nach dem Mixing noch ein Mastering vor sich hat

Dem Mastering-Verantwortlichen macht ihr das Leben unheimlich schwer, wenn ihr den Gain-Spielraum schon ausreizt. Lasst am Ende des Mixing Luft nach oben, mindestens 6 dB. Achtet darauf, dass der Master-Fader immer auf 0 dB bleibt, wenn es geht. Wenn die Masterspur bereits im roten Bereich ist, hat das Mastering eventuell zu wenig Spielraum für weitere Korrekturen.

3. Plug-ins ohne Output-Regler sind gefährlich für Gain Staging

Denn viele Plug-insbeeinflussen automatisch den Signalpegel. Hier hilft ein weiteres Plug-in, das den Output-Pegel von Plug-ins kontrollieren kann.

4. Auch Buss-Kanäle sind eine Gain Stage und brauchen Gain Staging

Buss-Kanäle werden oft im Mixing vergessen. Die Busse sind aber einfach zu regeln. Wenn das Signal zu „heiß“ einfließt, fügt ihr einfach ein Gain-Plug-in am Anfang der Plug-in-Kette hinzu. Gain-Plug-in runterdrehen, fertig. Die Reihenfolge der Plug-ins könnte sein:

  1. Gain-Plug-in
  2. Compressor
  3. Overdrive
  4. mvMeter

Merke: Eine gute Produktion, sei es live oder im Recordingbereich, steht und fällt mit einer sorgfältigen Signalaussteuerung.

Mit diesen Tipps solltet ihr spürbar bessere Ergebnisse erhalten, wenn ihr eure eigene Musik aufnehmt und abmischt. Für weitere klassische Fallstricke checkt unseren Artikel über die größten Sünden beim Home-Recording.

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