Ein Festival organisieren – aber wie?

„Das grobe Gerüst musst du zuerst planen, damit du weißt, ob das Festival überhaupt möglich ist. Erst danach geht es ins Detail.“

Dick sind die Termine im Kalender eingekreist und für viele ist es die schönste Zeit des Jahres: die Festivalsaison. Je näher die Daten rücken, desto mehr steigt die Vorfreude, endlich viele Lieblingsbands auf einem Haufen zu sehen. Sich ein paar Tage von der Zivilisation zu verabschieden und einfach nur zu sein: mit den Freunden auf dem Zeltplatz oder völlig vertieft in die Musik, die von der Bühne schallt. Damit ihr in den Genuss dieser ganz besonderen Atmosphäre eines Festivals kommt, braucht es Leute wie Andreas Zemke. Er ist Organisator des Festivals „Rock For Animal Rights“  (RFAR), das er seit über zehn Jahren organisiert. Wir haben uns mit Andreas getroffen und ihn gefragt, was es braucht, um ein Festival auf die Beine zu stellen.

 

„Für das RFAR ziehen wir das Gelände einmal von links auf rechts. Das sind dann vor dem Festival 4 bis 5 Wochen Hardcore-Arbeit und hinterher 3 bis 4 Wochen Abbau. Dafür opfern einige ihren gesamten Jahresurlaub.“

Von kleinen Gigs zum Festival-Organisator – Kontakte sind das Wichtigste

Andreas schmunzelt, als wir ihn fragen, wie er Festival-Organisator wurde, und lehnt sich entspannt zurück. Seit Jahren spielt er in einer eigenen Metal-Band. Dass Rockmusiker untereinander Konzerte organisieren, hat einen wichtigen Grundstein gelegt. Hinzu kommen eine eigene Rocksendung im Radio  und andere Festivals, die er auf die Beine stellt. Das Wichtigste dabei: Kontakte, Kontakte, Kontakte. Mit seinem Erfahrungsschatz von Booking bis Promotion liegt es irgendwann nahe, ein eigenes Festival zu etablieren: das „Rock For Animal Rights“ (RFAR).

Ein Festival mit knapp 1000 Besuchern und 2 Bühnen organisieren – womit fängt man als Erstes an?

Um es vorwegzunehmen, Andreas ist „ein alter Hase“ beim Organisieren des RFAR. Er wirkt auf uns umtriebig, souverän und scheint gleichzeitig sehr in sich zu ruhen. Bemerkenswert. Einen konkreten Plan, wie er vorgeht, gibt es nicht. Er macht alles eher aus dem Bauch heraus, aber er nennt uns wichtige Stichpunkte:

  • Das Festival-Datum: Das ist beim RFAR fest und extra zwischen anderen großen Festivals in der Region gewählt. Einfach, „damit man sich nicht gegenseitig die Fans klaut“.
  • Das Line-up: Direkt nach dem letzten Festival kümmert sich Andreas als Erstes darum, dass mindestens 60 % des Line-ups fürs kommende Jahr stehen. Dazu ist er in Kontakt mit Managements und Booking-Agenturen. Das Line-up muss deshalb so lange im Voraus geplant werden, um es mit Tour-Plänen oder Recording-Sessions der anvisierten Bands zu vereinbaren.

„Man braucht Geduld. Aber das jahrelange Graben ergibt drei, vier Jahre später, dass man dann wieder einen guten Headliner platzieren kann.“

Im Laufe der nächsten Monate komplettiert Andreas nach und nach das Line-up. Dabei legt er Wert auf eine ausgewogene Mischung aus Rock und Metal sowie auf nationale und internationale Musiker.

 
Andreas Zemke, RFAR

„Wir bemühen uns jedes Jahr wieder, mit unseren bescheidenen Mitteln ein tolles und abwechslungsreiches Line-up hinzukriegen.“

  • Ausschreibung für regionale Bands: Das RFAR vergibt auch Slots an regionale Acts. Das Team geht und hört die Bewerbungen durch, um die passenden Bands auszuwählen.

  • Sponsoren: Auch dieser Part passiert schnell nach dem letzten Festival. Möglichst viele Sponsoren sollen auch im darauffolgenden Jahr das Festival wieder mit unterstützen. 

  • Festivalgelände: Die Preise für Bauzäune und Dixi-Toiletten haben sich mittlerweile verdreifacht bis vervierfacht. Kurzfristiges Ordern ist so gut wie unmöglich. Deshalb fragt Andreas die Zulieferer noch vor Ort des letzten RFAR wieder fürs Nächste an. Und klärt ab, ob die DLRG mit ihren Sanitätern auch wieder dabei ist.

„Wenn wir jetzt nicht für nächstes Jahr buchen, bekommen wir gewisse Sachen vielleicht gar nicht (mehr). Vor Corona ging das noch, aber jetzt finden wieder viele Veranstaltungen statt, weshalb es knappe Kapazitäten gibt.“

  • Bühne: Auch ob die 9 x 7 Meter große Bühne 365 Tage später wieder bespielbar ist, klärt Andreas gleich. So hat er eine Sorge weniger und einen großen Baustein fürs kommende Festival sicher.

„Direkt beim Abbau sage ich zu den Bühnenbauern: ’alles klar, ist gut gelaufen. Zack, nächstes Jahr wieder. Dasselbe Datum, dieselbe Zeit. Dieselbe schmucke Bühne. Alles klar? Auf Wiedersehen!‘“

Das Line-up nimmt Form an – was passiert als Nächstes? Rausgehen und Werbung machen!

Ein paar Monate und Wochen vor dem Festival trommeln Andreas und sein Team an mehreren Orten, um neue Interessierte oder Unentschlossene auf das RFAR aufmerksam zu machen. Dabei geht es um:

  • Promotion: Im Gegensatz zu digitaler Musik Promotion läuft hier alles manuell: Plakate entwerfen, kleben und mit den ehrenamtlichen Helfern in verschiedenen Städten im Umkreis von 60 km aufhängen. Dasselbe gilt für 50.000 Flyer, die gedruckt und (meistens nach lokalen Konzerten) verteilt werden. Und wie sieht’s mit RFAR-Merch aus? Dafür werden ebenfalls Shirts entworfen und gedruckt.

  • Preiskalkulation: Trotz gestiegener Kosten für die Festival-Infrastruktur möchte das RFAR diese nicht an die Besucher weitergeben und seine Ticketpreise stabil halten. Generell ist wichtig zu wissen: Ab einem bestimmten Zeitpunkt vor Veranstaltungsbeginn braucht der Veranstalter verlässliche Besucherzahlen für die Kalkulation. Damit er weiß, für wie viele Menschen er das Festival auslegen kann, wie viele Toiletten er braucht und so weiter. Da kann es vorkommen, dass er im Zweifel das Festival kleiner macht und als ausverkauft meldet, obwohl es noch Kapazitäten gäbe. Denn so stellt er sicher, dass entsprechend der Besucherzahl von allem genügend zur Verfügung steht und er den gewohnten Service anbieten kann.

 
 
„Besorgt euch am besten lange im Voraus Tickets für Festivals und nicht erst kurz vor knapp. Damit gebt ihr Veranstaltern wichtige Planungssicherheit.“
 
  • Aufbau des Festivalgeländes: Da das Gelände im Normalfall ein Tierhof mit Weide ist, müssen einige Umbauarbeiten vorgenommen werden, damit es drei Tage lang bespielt werden kann. Alle ehrenamtlichen Helfer legen sich mächtig ins Zeug, damit alles rechtzeitig zum Start steht und es reibungslos losgehen kann.

„Je näher das Datum rückt, desto weniger muss man sich Illusionen hingeben: Die Festival-Organisation ist einfach ein Fulltime-Job. Da ist nichts mit nebenbei, das ist 24/7.“

Nur noch wenige Tage und Stunden bis zum Festivalauftakt – jetzt arbeitet auch Andreas mit To-do-Listen

In der heißen Phase des Festivals greift auch Andreas zu Zettel und Stift. Das muss er auch, denn er zieht Anrufe Mails vor. Mit den Listen behält er kurz vor Beginn am besten den Überblick, wenn alles gerade auf Hochtouren läuft:

  • Backstage: Über die Dauer des Festivals sind ca. 150 Gäste und Musiker da. Hier muss im Vorfeld das Catering abgestimmt und organisiert werden, damit alle versorgt sind.

  • Helfer einteilen: Es gibt ein Stammteam von ca. 20 bis 25 Leuten, die immer beim RFAR helfen. Das geht vom Einkaufen der letzten Dinge über Fahrer,  Stagehands, PA-Runner, Kochen bis hin zum Versorgen der Tiere auf dem Gelände. Aber auch die, welche den Zeltplatz betreuen oder als Springer fungieren, sind wichtig. Für das Festival-Team werden immer Freiwillige gesucht, die Bock darauf haben zu helfen. Denn bei einem größeren Festival-Team von 40 Personen können sich alle besser abwechseln, haben mehr Ruhepausen und können auch mal Bands sehen. Andreas koordiniert, wer in welchen Bereichen am besten aufgehoben ist.

„Es gibt so ein paar Verrückte, die immer wieder die Hand heben und jedes Jahr helfen. Man wächst wie so eine kleine Familie über die Tage zusammen. Man lernt die Leute noch mal ganz anders kennen und hat eine Menge Spaß dabei.“

Das Festival ist in vollem Gange – jetzt endlich mal durchatmen und genießen? Fehlanzeige!

Monatelang arbeitet Andreas auf das große Event hin. Kann er sich dann ab irgendeinem Zeitpunkt einfach mal hinstellen und sich in Ruhe Bands ansehen? Das sei extrem selten, sagt er. Seine Tage sähen eher so aus, dass er permanent rumläuft und telefoniert, weil immer irgendwo kleine Probleme auftauchen und er dann dafür sorgen muss, dass alles läuft. Oder er muss entsprechend Leuten aus seinem Team Bescheid sagen.

Die Anspannung ziehe sich über die gesamte Festivaldauer hinweg durch und er sei oft stehend k. o. Konnte er ein paar Tage vor dem Start nur fünf Stunden pro Nacht schlafen, sind es während des Festivals höchstens noch drei.

 
Andreas Zemke, Organisator RFAR

„Der Enthusiasmus, die Freude und der Spaß auf dem Festival mit den Menschen machen den Schlafmangel erträglich.“

Die Fallstricke eines Festivals: Eine stabile und ausreichende Wasser- und Stromversorgung!

In der heißen Phase des Festivals greift auch Andreas zu Zettel und Stift. Das muss er auch, denn er zieht Anrufe Mails vor. Mit den Listen behält er kurz vor Beginn am besten den Überblick, wenn alles gerade auf Hochtouren läuft:

  • Wasser und Abwasser: Auf dem Festivalgelände gibt es feste Toilettenwagen, zudem haben sechs Küchen ihre Spülen beim RFAR in Betrieb – das alles frisst unglaublich viel Wasser. Eine gute Infrastruktur mit diesen beiden Dingen ist unerlässlich, weil gegebenenfalls das Gesundheitsamt ein Festival dichtmachen kann, wenn es beispielsweise in Küchen keine Gelegenheit zum Händewaschen gibt.

  • Stromversorgung: Küchengeräte, Kühlaggregate, Licht, die PA und zwei Bühnen für den guten Live-Sound –  alles will mit Strom versorgt sein. Bei sehr heißen Temperaturen kommen noch Ventilatoren hinzu.

„Du musst ausrechnen, was du brauchst, und dafür sorgen, dass es in dem Umfang auch da ist. Denn du bekommst spontan aus dem Nichts keine neue Wasser- oder Stromleitung.“

  • Band- und Tonmischer-Ausfälle: Auch das kann immer passieren und den eigentlichen Zeitplan durcheinanderbringen. Gerade 2021 konnten coronabedingt gleich sechs Bands nicht auftreten. Andreas konnte aufgrund seiner guten Kontakte rechtzeitig Ersatz finden, auch wenn es das eigentliche Line-up für Samstag ganz schön durcheinandergewirbelt hat. Da hilft nur eins: sich hinters Telefon klemmen und fragen, wer spontan einspringen kann. Da zieht Andreas alle Register und telefoniert Managements, Bookings, Tonstudios, Freunde und Bekannte ab. Oder er meldet sich bei den Bands direkt und fragt, ob sie selbst oder befreundete Musiker Zeit haben. Auch die Kontakte von Mischern hat Andreas im Handy und kann im Zweifel schnell darauf zugreifen.

„Wir sind mit dem RFAR recht krisenfest, weil wir elf Jahre Erfahrung haben, aber auch gut organisiert sind. Wir haben schon vieles als Team gemeistert und immer einen sauberen Ablauf garantiert. Mit der Erfahrung kommt das Vertrauen, dass es schon klappen wird, wenn du flexibel bleibst.“

Was ist der Antrieb, sich für 3 Tage Festival so ins Zeug zu legen? Die Geschichten hinter den Kulissen und der Tierschutz!

Vom Festival selbst bekommt Andreas so gut wie nichts mit. Alles rauscht vorbei, wenn er in seinem Orga-Tunnel ist. Das Adrenalin, die Bedenken, ob auch alles klappt und die Besucher das gewohnt professionelle RFAR genießen können, sowie der Schlafmangel tun ihr Übriges. All die Strapazen sind jedoch vergessen, wenn Sonntagabend alle Helfenden in familiärer Atmosphäre beim Essen zusammensitzen und die Festivaltage Revue passieren lassen. Erst dort erfährt Andreas von all den Geschichten, die sich abgespielt haben und die er nicht mitbekommen hat.

 

„Alle erzählen dann, was über die zwei Tage passiert ist. Beim Zuhören kann ich abschalten und es ist für mich die schönste Zeit. Ich glaube, da könnte man jedes Mal ein mittelschweres Buch darüber schreiben und es wäre sehr unterhaltsam.“

Andreas hat sich zwei seiner größten Leidenschaften verschrieben: dem Rock und dem Tierschutz

Schon als wir uns mit Andreas für diesen Artikel verabreden, weist er darauf hin, dass wir kurz vorher noch mal anrufen sollen, um uns zu versichern, ob es klappt. Denn es kann immer sein, dass er mit seinen Leuten vom „Tierrechtsbund Aktiv e.V.“ spontan Tiere rettet. In dem Verein ist Andreas länger Mitglied, als es das „Rock For Animal Rights“ gibt. Der dazugehörige Hof des Vereins in Sandstedt/Offenwarden ist ein großes Gelände mit riesiger Weide. Irgendwann entstand die Idee des Festivals als zuverlässige Einnahmequelle, um langfristig die Vereinsarbeit zu ermöglichen und damit die Kosten für Tierfutter und -pflege zu decken. Dass dies Andreas Herzensangelegenheit ist, zeigen seine leuchtenden Augen, wenn er über den Verein und die Tiere spricht.

„Wir sind darauf angewiesen, dass unsere treuen Freunde und Fans immer wiederkommen. Nur so können wir die Veranstaltung jedes Mal genauso gut und professionell machen, ohne Gefahr zu laufen, dass die Kosten uns erschlagen.“

Das „Rock For Animal Rights“ findet seit 2012 in Sandstedt/Offenwarden, im Dreieck zwischen Bremerhaven, Bremen und Oldenburg, statt. Die Weide des Vereins „Tierrechtsbund Aktiv e.V.“ verwandelt sich für drei Tage im Jahr in ein Festivalgelände mit Campingplatz. Die Bands spielen alle ohne Gage, etwa 30 ehrenamtliche Helfer sorgen für einen reibungslosen Ablauf. Die Einnahmen über die Ticketpreise fließen alle in die Vereinsarbeit und kommen den Tieren zugute. Auf dem Festivalgelände gibt es vegane Verpflegung mit „Mjam-Mjam-Faktor“ und Infostände zum Thema Tierschutz. Einmal im Jahr seien er, das Festival-Team, Bands und Besucher besonders laut für die Rechte der Tiere, erklärt Andreas verschmitzt.

Von Andreas’ unerschütterlichem Optimismus und seiner gelassenen Art, Dinge anzugehen, will man sich am liebsten eine große Scheibe abschneiden. Wir verabschieden uns von ihm und er ist schon wieder auf dem Sprung zu seinem nächsten Projekt: dem Ausbau eines Wohnmobils. Andreas ist ein umtriebiger Geist und ein echter Macher, der all seine vielen Projekte aber vor allem mit einer großen Portion Leidenschaft angeht und bestimmt auch jetzt schon wieder das nächste „Rock For Animal Rights“ schmiedet.

 

Wir danken dem RFAR für Verwendung der Bilder 

Rock for Animal Rights

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