Der Club der Zukunft: Eine kleine Utopie der Clubszene in 4 Visionen

Auf der upStage-Konferenz hat das Panel „Affe tot, Club zu?! Eben nicht!“ über den Club der Zukunft diskutiert


Auf der upStage-Konferenz in Bremen haben Clubbesitzer diskutiert, wie der Live-Club der Zukunft aussehen könnte – auch, um das Clubsterben zu bremsen und eine neue Generation Clubgänger anzulocken. Einig war sich das Panel allerding nur in einem Punkt: Es muss sich etwas verändern. In welche Richtung das gehen kann, dazu gab es unterschiedliche Visionen – einige davon sind auch im Lichte der Corona-Pandemie 2020 interessant. Denn viele der Zukunftsvisionen haben eines gemeinsam: Liveclubs müssen anders, breiter, genutzt werden.  Wir durften einer der Sponsoren der upStage-Konferenz sein und haben die Diskussion für euch verfolgt – und hier zusammengefasst.

Vision 1: Finanzierung und Kauf der Club-Räumlichkeiten über Genossenschaften oder Stiftungen

Clubs sind oft von einem Vermieter abhängig. Dieser Vermieter hat andere Interessen als der Club selbst – nämlich das Gebäude so kosteneffizient wie möglich zu vermieten. Nicht nur Modernisierungen sind dadurch selten, die Clubs sind permanent von der Kündigung durch den Vermieter bedroht. Denn oft sind teure Wohnungen der bessere, weil ruhigere Umsatzbringer.

Ein Lösungsvorschlag des Panels: Clubs sollten das Gebäude, in dem sich der Club befindet, selbst kaufen. Um das nötige Geld dafür aufzubringen, könnten Clubs neue Organisationsformen finden. Das Panel spricht vor allem über Stiftungen und Genossenschaften als Träger für Clubs. Eine Stiftung hätte ganz andere Möglichkeiten, mit Behörden zu kommunizieren und Mitbestimmung zu ermöglichen. Stiftungen könnten auch für Förderungen vonseiten der Stadt offen sein.

Hamburg lebt diese Vision mit der Stiftung zur Stärkung privater Musikbühnen, kurz „Clubstiftung“ vor. Die Stiftung ist eine Gemeinschaftsgründung des Clubkombinat Hamburg e. V. und der Stadt Hamburg – und arbeitet eng mit dem Kulturdezernat der Stadt zusammen.

Gäbe es alternative, gemeinschaftliche Organisationsstrukturen für Clubs, könnte man viel mehr Kreativität wagen, spekuliert das Panel:

„Wir müssen unsere Clubs in Zukunft experimenteller aufbauen, mit Urban-Gardening-Elementen, vielleicht genossenschaftlich finanziert. Der Club kann ein Mittelpunkt der Kommune sein.“

— Terry Krug – Clubkombinat Hamburg e. V.

Der Club soll so zu einem Ort werden, an dem die Besucher experimentieren können. Dafür bräuchte es aber eine Findungsphase, eine Art Club-Labor, um neue Formate zu testen.

Vision 2: Multi-Nutzung der Location: Nachts Live-Club, tagsüber Workspace

Das Panel stellt fest: Viele Clubs sind tagsüber leer – und an manchen Werktagen sogar 24 Stunden lang. Auch hier sieht das Panel eine Zukunftsperspektive.

„Wir müssen Clubs auch tagsüber nutzen. In unseren Räumen haben wir Co-Working-Spaces für Kreative, Start-ups und digitale Nomaden eingerichtet.“

— Zora Brändle – Projektleiterin halle02 Heidelberg

Clubs könnten tagsüber als KiTas, Probe- oder Meetingräume herhalten oder für Vereine, NGOs und Bürgerinitiativen nutzbar sein. Clubbesitzer könnten ihre Räume gegen eine Gebühr tagsüber öffnen. Für eine derartige temporäre Untervermietung sollte es unbürokratische Modelle geben, fordert das Panel. Das ist auch im Zeichen der Corona-Pandemie, die das Panel noch nicht erahnen konnte, eine sinnvolle Nutzung. Hier können in größeren Räumen Lerngruppen zusammenkommen, Nachhilfe gegeben werden oder andere Veranstaltungen stattfinden, die sonst zu beengte Räume hätten. Dabei können Clubs auch temporäre Räume für Protestbewegungen sein – denn Clubkultur war immer auch eine alternative Kultur.

Vision 3: Clubs als Entschleunigung

Die Ausgehkultur hat sich stark verändert. Das ist unter anderem ein Grund dafür, dass immer mehr Großraumdiscos schließen, während sich Szene-Pubs vermehren. Immer beliebter sind demnach Bars und gemütlichere Ausgeh-Locations mit Sofas, Sesseln, Hängematten. Tinder ersetzt für viele junge Menschen das Kennenlernen im Club, Instagram stillt digital immer mehr das Bedürfnis nach Darstellung. Stattdessen wollen die jungen Menschen ihren belastenden Alltag entschleunigen – nicht immer, aber vermehrt. Clubbesitzer haben das langsam verstanden – wenn auch mit wenig Freude. Dabei stellt sich in der Diskussion heraus: Die langjährigen Clubbesitzer wissen gar nicht mehr so genau, was die nachwachsende Party-Generation möchte.

„Wir müssten mal ein paar kreativen Studenten die Schlüssel in die Hand drücken und sagen: Macht, worauf ihr Bock habt. Wie der Club der Zukunft aussieht, müssen jungen Menschen entscheiden.“

— Zora Brändle, Projektleiterin halle02 Heidelberg

Vision 4: Der grüne Live-Club

Jeder, der über die Zukunft spricht, spricht von Klima und Umwelt. Scheinwerfer, Kühlschränke, PA-Anlagen – Live-Clubs verbrauchen viel Strom. Hier schließt sich im Panel der Kreis zur Diskussion am Anfang: Würden Clubs oder Clubgemeinschaften das Gebäude besitzen, in dem sie ihre Räume haben, könnten sie grüner sein. Denn dann hätten sie mehr Gestaltungsmöglichkeiten mit dem Gebäude selbst. Den Investoren ist das Gesamtkonzept des Gebäudes normalerweise egal. Der Eigentümer hat nicht unbedingt Interesse an kostenintensiven Modernisierungen.

Clubbesitzer hingegen könnten ein „grünes Club-Konzept“ durchaus vermarkten. Wären Clubbesitzer auch Hauseigentümer und Hausnutzer gleichermaßen, könnten sie das Haus nachhaltig modernisieren. Das ginge umso einfacher mit genossenschaftlicher Beteiligung oder mit der Hilfe von Stiftungsvermögen.

„Wir haben große Dachflächen für Solarmodule. Ich glaube, dass man die Haltung ‘Party kann auch Umweltschutz’ als Clubbesitzer umsetzen kann. Das kann Teil der ‘Club-Marke’ sein.“

— Steffen Kache – Inhaber Distillery Leipzig, AG Club der Zukunft

Tagsüber Programm, abends Musik - auch das ist das upStage-Festival:


Fazit: Der Club der Zukunft ist ein Club der breiteren Nutzung und veränderten Eigentumsverhältnisse

Das Panel ist sich einig darüber, dass Clubs andere Organisationsformen finden müssen. Das Gebäude, in dem sich ein Club befindet, sollte ganzheitlich nutzbar sein: im Erdgeschoss der Live-Club, im Keller Proberäume, oben Künstler- oder Studenten-WGs oder Ateliers. Dafür könnte das ganze Gebäude in der Hand einer Nonprofit-Organisation sein. Club-Gebäude in genossenschaftlicher Hand gibt es bereits, zum Beispiel das Poly-Haus in Oldenburg. Dort wurde die Insolvenz des Kultclubs durch eine eigens dafür gegründete Genossenschaft aufgehalten. Wie das Haus genutzt wird, entscheidet ein Plenum in Abstimmungen. Wir finden: Das ist ein Konzept für die Zukunft.

Die upStage-Konferenz hat außerdem die Frage diskutiert, wie Clubs besser mit Behörden und Bürokratie umgehen können. Sind Initiativen „von oben“ hilfreich? Können Behörden die Voraussetzungen für Clubs verbessern? Lies hier mehr darüber.

Fotos © Clubverstärker e.V.; Benjamin Eichler